Andacht: Pflüget ein Neues
„Pflüget ein Neues, solange es Zeit ist!“
(Hosea 10,12)
Liebe Leserinnen und Leser,
der Schmetterling auf unserem Titelbild hat eine „Weide“ gefunden. Man sieht auf dem Foto aber auch die Verletzlichkeit dieser wunderbaren Insekten. Die größte Gefahr allerdings bildet es nicht ab: Den ständigen Verlust von Lebensraum. Rund 80 Prozent der Lebensräume in der EU sind in einem schlechten Zustand und 10 Prozent der Schmetterlingsarten sind vom Aussterben bedroht. Um diese Entwicklung zu stoppen hat die EU ein Naturschutzgesetz auf den Weg gebracht, das die Länder verpflichten sollte, bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme zu renaturieren. Geplant war unter anderem die Pflanzung von Hecken, als Unterschlüpfe für Vögel und Insekten, sowie die „Wiedervernässung“ trockengelegter Flussauen und Moore. Doch es gab großen Widerstand vor allem von Christdemokraten und einigen Bauernverbänden.
Zum Glück konnte nun zumindest ein stark abgeschwächtes Gesetz verabschiedet werden. Denn das Artensterben, der Klimawandel und die schlechte Verfassung der Böden machen einen Neuanfang in der Landwirtschaft nötig. Das „Evangelische Bauernwerk Hohebuch“ hat deshalb dieses Jahr für die Erntebittgottesdienste einen besonderen biblischen Appell in den Mittelpunkt gestellt:
„Säet Gerechtigkeit und erntet nach dem Maße der Liebe! Pflüget ein Neues, solange es Zeit ist, den Herrn zu suchen, bis er kommt und Gerechtigkeit über euch regnen lässt!“
Das ist eine Aufforderung, die sicherlich nicht nur Landwirt*innen, sondern uns allen gilt. „Säet Gerechtigkeit!“ Die Samenkörner sind zwar klein, aber wirksam: Eine neue Perspektive. Ein fairer Umgang. Wertschätzung für alle in der Lieferkette. Sich abwenden von dem Gefühl „ich bin hier das Opfer“ hin zur Tatkraft „ich kann etwas zum notwendigen Wandel beitragen.“
„Pflüget ein Neues“ gilt im landwirtschaftlichen wie im zwischenmenschlichen Sinn. Das bedeutet also: Neue Technik. Weniger Pestizide. Klimaresistente Sorten. Aber auch der Boden des Herzens muss bereitet werden. Verhärtete Strukturen und Ansichten müssen aufbrechen. Neues muss ausprobiert werden, gerade in unserem Umgang mit Pflanzen, Tieren und Böden. Vielleicht passieren dabei Fehler. Der größte Fehler wäre aber, sich den Neuerungen zu verschließen. Es gibt das Recht der Schmetterlinge auf einen gesunden Lebensraum. Es gibt ein Recht der Landwirt*innen, aus ihren Böden nicht das Maxi-mum herausholen zu müssen, sondern auch Brachen zu lassen und nasse Moore zu integrieren. Es ist berechtigt, für alles, was wir essen, faire Preise zu bezahlen.
Ich bin gespannt, für welche neuen Wege uns der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft in der Nachtschicht am 20. September begeistern möchte.
Ihr Pfarrer Ralf Vogel