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Eine Andacht zwischen den Jahren

 |  Martin Eisele-Remppis  |  Andachten

Liebe Gemeinde,
Altes klingt aus, Neues ist noch nicht da. Die Zeit um den Jahreswechsel ist eine Zeit des Übergangs. Für mich liegt in den Tagen um Neujahr herum eine gewisse Ruhe. Im Vergleich zu der Adventszeit und natürlich den Weihnachtsfeiertagen, scheinen sich die Uhren langsamer zu drehen. Manche empfinden das als angenehm, wie eine Entspannungsphase – endlich Zeit sich auf Vergangenes zu besinnen und auf Neues einzustimmen. Andere hingegen sind unruhig, vielleicht, weil schwere Erlebnisse des vergangenen Jahres auf ihnen lasten oder sie sich um die Zukunft sorgen.
Ich stelle mir den Übergang zweier Jahre wie das Zusammenfließen von zwei Flüssen vor (s. Titelbild). Das Jahr 2023 fließt in das Jahr 2024 hinein. Oder fließt das neue Jahr in das alte hinein? Vermutlich lässt sich das nicht genau sagen. An der Linie, wo die beiden Flüsse zusammentreffen, entstehen Unschärfen, türkise Farbflecken, wenn sich sandiges Flusswasser mit klarem vermischt.
Was nehme ich mit ins neue Jahr, welche Erlebnisse haben mich in den letzten Monaten geprägt? Was war gut, was hat mir Freude bereitet, aber auch was war traurig und was vielleicht sogar fürchterlich? In meinem Leben, bei meinen Nächsten und in der Welt. Ich weiß, dass Erinnerungen bleiben. Die Erinnerungen werden mich begleiten, auch nachdem die beiden Jahre zusammengeflossen sind. Es lohnt sich aber zu überlegen, welche erinnerten Erlebnisse, welche Stimmungen und Gefühle ich bewusst mitnehmen möchte. Das unterscheidet mich als Menschen von zwei Flüssen, die zusammenfließen und sich dann langsam, aber gleichmäßig vermischen.
Ich will mich nochmal an den Frühling erinnern: Wie erging es mir damals? Was hat mich im Sommer glücklich gemacht? Was habe ich im Herbst erledigt, welche Herausforderung habe ich nach langer Anstrengung überwunden? Ich vertraue darauf, dass alles seine Zeit hat, aber es ist mir überlassen, was ich davon bewahre. Gesammelte Erinnerungen ergeben eine Geschichte. Zwischen den Jahren nehme ich mir Zeit eine bestärkende Erzählung von meinem Jahr 2023 zu schreiben.
2024 wird nicht komplett anders oder gänzlich ungewohnt sein. Manches wird als bekannt erscheinen, anderes wird wiedererkannt. Natürlich wird auch Neues und Ungewohntes auftauchen. Ich wünsche ihnen, dass Sie in das neue Jahr das mitnehmen können, was sie bestärkt, was Ihnen in dunklen Stunden Licht schenkt, was Ihnen Kraft gibt.
Gehen Sie als gesegnete Menschen in das neue Jahr. Gott behüte Sie bei allem, was vor Ihnen liegt.

Ihr Vikar Rafael Reuther

Bildunterschrift: Mündung von Rhone und Arve in Genf; Foto: Rafael Reuther