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Andacht: Heimat

 |  Martin Eisele-Remppis  |  Andachten

Liebe Leserinnen und Leser,
Wenn ich an „Heimat“ denke, dann kommen mir vor allem die Heimaten in den Sinn, die meine Mutter und Oma verloren haben: Meine Oma lebte als junge Frau im „Wilden Kaukasus“. Und meine Mutter verbrachte Ihre Kindheit in den Steppen von Bessarabien, die für sie das Paradies waren. Unter Tränen verließ sie es, weil Hitler und Stalin es so wollten. Als sie dann am Ende des Krieges in Schwaben eintraf, war das nicht das „gelobte Land“. Die ursprüngliche Bevölkerung hatten keine Lust darauf, ihr Ländle mit „denne Flicht-ling“ zu teilen und behandelten sie entsprechend. Hät-te meine Mutter nicht flüchten müssen, gäbe es mich nicht und ihre Kinder würden heute in der Ukraine le-ben. Ich bin gerne Schwabe, aber ich trage voller Stolz die Heimaten meiner Oma und Mutter in mir. Je-de Ukrainerin ist mir eine Schwester und jeder Geor-gier ein Bruder.
Als mir die Werbeagentur „thjnk“ zur Heimat-Reihe die Idee des Aufklebers „Net hier. (Nicht hier.) Heimatlie-be ja. Nationalismus nein.“ präsentierte, war ich be-geistert. Die ursprüngliche Kampagne „Nett hier. Aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg?“ steht für ein weltoffenes „The Länd“, zu dem sich die Men-schen aus aller Welt gerne auf den Weg machen sol-len. Denn wir brauchen Sie! Gerade auch die Firmen rund um den Rotenberg: Beim „Daimler“ arbeiten al-lein im Bereich der LKW-Produktion Mitarbeiter*innen aus 129 Nationen. Wenn sie nicht mehr „schaffen“ würden, stünden von heute auf morgen alle Räder still.
In der 1. Nachtschicht füllte der Vorsitzende des „Schwäbischen Heimatbundes“ das Motto des Auf-klebers mit eigenen Worten: „Es passiert bei uns et-was, das ist katastrophal. Dass in diesem Land Hun-derttausende mit dem Gedanken spielen, bis zu 25 Millionen Menschen, die hier wohnen, „remigrieren“ zu wollen. - Dass hier eine Partei umgeht, die mit allem, was sie verkündet, gegen den Artikel 1 des Grundge-setzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar.“) verstößt – wen das nicht umtreibt, der hat es noch nicht begriffen. Für mich gehört zu meinem Heimat-begriff auch, dass ich dort zuhause sein will, wo Werte gelten, wo eine sehr gute Verfassung besteht. Ich möchte hier leben, umgeben von diesem christlich-jüdischen Grundlagensystem, das in die Verfassung eingeflossen ist, das unsere Gesellschaft so bunt, so vielfältig, so zukunftsorientiert macht.“
Der Gott der Bibel ist ein Gott der Nomaden und Hei-matlosen. Er wird ihnen zur Heimat, wo auch immer sie sind. So können wir an allen Orten der Erde beten: „Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkin-der unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht ha-ben!“ (Psalm 36) Heimatliebe ist etwas Schönes, aber nur solange sie sich nicht gegen die wendet, die an-geblich nicht dazugehören – im „Ländle“ und außer-halb. Auch wenn das nationalistische Politikmodell gerade sehr erfolgreich ist, hoffe ich darauf, dass wir auf vielfältigste Weise zeigen: „Net hier.“
Ihr Ralf Vogel