Andacht und Titelbild
Liebe Leserinnen und Leser,
wenn ich an den Sommer denke, denke ich zuerst an die Sommer meiner Kindheit und Jugend. Sie haben geprägt, wie ich mir Sommer vorstelle, wie ich den Sommer fühle.
Und gleichzeitig vermischen sich in meiner Erinnerung meine eigenen Sommererfahrung mit den Sommererfahrungen, die ich aus Büchern und Geschichten kenne. So habe ich beispielsweise nie die Mittsommernächte auf den Schären in Schweden erlebt – aber durch Astrid Lindgrens Kinderbücher haben es die Sommergefühle aus Saltkrokan oder der Kinder von Bullerbü in meine Erinnerungen geschafft. Das Grundgefühl von Sommerfreude und Sommerfreiheit war mir so vertraut, dass Astrid Lindgrens Geschichten gut zu meinen Sommergefühlen gepasst hat.
In den Sommerferien hat man im besten Fall Zeit für die Geschichten: für die eigenen und die anderen Geschichten. Oder mit den Worten von Astrid Lindgren: „Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen.“
Meine Sommerferienerfahrung ist: wenn ich Zeit habe zum Sitzen und Schauen, dann fange ich irgendwann – das kann auch ganz schön lang dauern – an, meinen Gedanken und Gefühlen und nachzuspüren.
In mir steigen meine Geschichten und die gehörten, gelesenen, gesehenen, geteilten Geschichten auf – und es entsteht ein großer Klang in mir. Gefühle der Dankbarkeit und Gedanken über die Vergänglichkeit gesellen sich zur Gegenwart des Moments. Ich erinnere mich an Situationen, die ich fast vergessen hatte. Ich kann mit manchen Sachen abschließen, die offen waren. Ich erinnere mich an biblische Geschichten. Ich erinnere mich an vergangene Feste, an gefeierte Gottesdienste. Ich denke an das, was mich traurig macht. Ich kann beten.
Wenn sich die vielen Glaubenserfahrungen, meine eigenen und die der anderen Menschen in solchen Momenten in mir miteinander verbinden – dann bekommt der Sommer eine wunderbare Gelassenheit – weil ich die Zeit gehalten weiß: „Meine Zeit steht in deinen Händen.“ (Psalm 31,16)
Die wünsche ich Ihnen!
Ihr Pfarrer Jakob Spaeth
Unters Bild:
Auf dem Friedhof bei der Kirche haben wir eine neue Bank aufgebaut, um einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen. Und um einen Platz zu haben zum Nachdenken, Nachspüren, Beten.